Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

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riroba
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Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10901Beitrag riroba »

Hallo Zusammen!

Leider wieder einmal mein Lieblingstitel "Der Wunsch nach Behinderung". Erschienen in: Bild der Wissenschaft. Über die Seriösität lässt sich sicher streiten, man beachte die Parallelen zu einem großen gedruckten Blatt.

http://www.wissenschaft.de/home/-/journ ... hinderung/

Ich möchte auch hier betonen dass BIID in den seltensten Fällen etwas mit "Wunsch nach Behinderung" zu tun hat. BIID geht mit einem hohen Leidensdruck einher wobei die Körperveränderung häufig als einzige Möglichkeit der Linderung angesehen wird!
forrest
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Registriert: Sa 28. Sep 2013, 20:46

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10903Beitrag forrest »

riroba hat geschrieben:Hallo Zusammen!

Leider wieder einmal mein Lieblingstitel "Der Wunsch nach Behinderung". Erschienen in: Bild der Wissenschaft. Über die Seriösität lässt sich sicher streiten, man beachte die Parallelen zu einem großen gedruckten Blatt.

http://www.wissenschaft.de/home/-/journ ... hinderung/

Ich möchte auch hier betonen dass BIID in den seltensten Fällen etwas mit "Wunsch nach Behinderung" zu tun hat. BIID geht mit einem hohen Leidensdruck einher wobei die Körperveränderung häufig als einzige Möglichkeit der Linderung angesehen wird!
Hallo riroba

Danke für den Hinweis.

Ich kann dein Stirnrunzeln verstehen und auch deine Argumentation nachvollziehen. Aber ist es nicht so das wir uns wünschen die BIID irgendwie zu überwinden, hinter uns zu lassen oder damit zu leben? Von daher ist der "Wunsch nach Behinderung" die den Körper mit dem eigenen Korpergefühl in Einklang bringt gar nicht so verkehrt. Falsch finde ich allerdings dass diese als reißerische Aufmachung verwendet wird um die Sensationslust des potentiellen Lesers zu befriedigen. Hoffentlich ist der Artikel wenigstens fundiert recherchiert und objektiv verfasst.

Ich denke ich werde mir die Ausgabe kaufen und lesen. Bei Bedarf werde ich gerne berichten ob sich die Investition lohnt.

VG Forrest
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caroline
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Registriert: Do 31. Mai 2012, 11:11

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10911Beitrag caroline »

:?: Kastration :?:

Hallo forrest.
Wunsch, was bedeutet das? Für mich ist ein Wunsch etwas, das ich an oder ausschalten kann. Manchmal denke ich daran, was ich mir wünschen würde (einen freien Tag, einen schönen Urlaub, ein tolles Buch, eine bestimmte CD...).
Aber es bestimmt nicht mein Leben. Er belastet mich nicht. Vielleicht spare ich darauf hin um ihn mir zu erfüllen, aber er lenkt mich nicht ab. Er schenkt mir Freude, Vorfreude, kein tägliches Erinnern daran, das etwas nicht stimmt. Mit einem Wunsch kann ich trotzdem noch unbeschwert leben. Im Gegenteil, ohne Wünsche wäre das Leben sehr farblos.

Behindert zu sein, (bei mir QS) ist eine Notwendigkeit, ohne die mein Leben nicht richtig funktioniert. BIID erschafft Stress, Leiden, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Lügen, Scham.
Wir Betroffene wissen, was gemeint ist, wenn wir von "Wunsch" reden. Aber auf andere kann es so wirken, als wäre BIID eine Art Freizeitbeschäftigung, die wir uns ausgesucht haben. Und wenn in den Medien immer wieder von "Wunsch Behindert zu sein" geschrieben wird, dann sind die Aussichten, als unfreiwillig Betroffene, für die es nur eine Lösung geben kann, anerkannt zu werden, sehr gering.
Solange weiterhin dieses Wort benutzt wird, werden wir nicht ernst genommen.

Gruss
Andrea
Jimmy
Beiträge: 432
Registriert: Do 13. Okt 2011, 14:56

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10924Beitrag Jimmy »

Hallo Caroline, du hast es wieder mal sehr schön auf den Punkt gebracht. Genau diese Notwendigkeit , die dem inneren Bild entsprechende Körperform zu erlangen, unterscheidet uns übrigens sowohl von den reinen Amelotatisten als auch den Pretendern.
Liebe Grüsse, Jimmy
forrest
Beiträge: 196
Registriert: Sa 28. Sep 2013, 20:46

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10949Beitrag forrest »

Hallo Andrea,

ich weiß genau was du damit sagen möchtest und genau das ist auch meine Intention gewesen. Trotzdem ist der Wunsch laut Definition doch vorhanden. (Wikipedia, Brockhaus) Leider ist es so das so wie du schreibst der Begriff auch falsch gedeutet werden kann als etwas möglicherweise Belangloses. Ich wünsche mir etwas und wenn ich es nicht erlange, dann wünsche ich mir halt was anderes. In vielen Fällen wird der Wunsch einfach mit dem Wunsch nach Geschenken oder materiellen Dingen gleichgesetzt. Doch kann der Wunsch auch etwas tiefsitzendes sein, welcher dann zu großen und persönlichen erfolgen führen kann. (Sportler/Musiker?)

Auszug aus Wikipedia:
„… Der Wunsch ist verwandt mit der Sehnsucht. Vom Willen unterscheidet er sich im Grad der Entschiedenheit oder Entschlossenheit: Der Wunsch stellt das frühe Stadium des Willens dar, noch wird zögerlich formuliert, abgewogen und überlegt. Beim Willen ist man dagegen zumindest theoretisch sicher, sich für das nun klar definierte Gewünschte selbst zu engagieren. (Der Ausdruck „sich einen Wunsch erfüllen“ zeigt, dass der Wunsch Ausdruck von einem Mangel sein kann, der abgestellt werden möchte, und man auch selbst derjenige sein kann, der ihn abstellt…“

http://de.wikipedia.org/wiki/Wunsch#Wunsch_und_Wille

Trotzdem würde mir auf Anhieb keine andere Begriffsdefinition einfallen um diese Gefühl welches uns treibt einfach zu umschreiben. Drang, trieb, verlangen, begehren, Sehnsucht

Und genau deswegen glaube ich dass es wichtig ist sich diesen Artikel einmal anzuschauen um festzustellen aus welchem Blickwinkel der Autor diesen verfasst hat. Da es sich hier um eine Wissenschaftszeitung handelt hoffe ich dass der Inhalt objektiv und nicht so reißerisch wie die Aufmachung verfasst ist. Doch was wenn doch? Vielleicht gibt es dann die Möglichkeit aus dem Forum heraus für Aufklärung beim Verlag, dem Autor und auch den Lesern zu schaffen?

Viele Grüße

Forrest

PS: Ich finde es gut dass der Foren betrieb auch abseits des SPAM weitergeht. :-)
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caroline
Beiträge: 402
Registriert: Do 31. Mai 2012, 11:11

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 10959Beitrag caroline »

Hallo Forrest.
Ich habe mir den Wiki Eintrag durchgelesen. Ganz oben steht etwas, das eigendlich einen Wunsch sehr gut beschreibt: Ein Wunsch ist die Hoffnung auf Veränderung der Realität.
Das kann ich ganz und gar unterstützen.
Nur: Ich lebe in zwei Realitäten.
Real ist für mich, dass ich Querschnittsgelähmt bin.
Real ist für mich, dass ich laufen und meine Beine fühlen kann.

Das ist ein Wiederspruch, der im Laufe der Jahre immer stärker sichtbar wurde. Die erste Realität tritt stärker in den Vordergrund. Die zweite belastet mich dadurch.
Ich möchte also eigendlich nicht die zweite Realität verändern, sondern in der ersten voll und ganz bestätigt sein.
Natürlich würde sich mein Leben, allgemein gesehen, verändern. (Beruf, Wohnung, neue Erfahrungen).
Die zweite Realität würde sich aber nicht verändern, sondern verschwunden sein.
Ich wünsche mir nicht, behindert zu sein, ich bin es. Ich habe einen QS. Nur nicht für andere Menschen sichtbar und für mich nicht fühlbar.

Natürlich will ich Dich nicht davon abhalten, den Artikel zu lesen. Das ist wichtig, um zu sehen, wie wir in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Aber die Erfahrung hat gezeigt, wenn in der Überschrift die Worte "Wunsch nach Behinderung" stehen, dann ist der Rest eher oberflächlich, auf Sensation geprägt, im Unterton "Die sind doch völlig verrrückt".
"BIID- Eine seltene neurologische Störung"
"Der fehlende Einklang mit dem eigenem Körper"
"BIID- Ein Leben voller Leid"
"Amputation-Der letzte Ausweg von dem Leid"
"Warum ein Leben im Rollstuhl Glück bedeuten kann"
Das könnten Überschriften sein, die neugierig auf einen Artikel machen, aber nicht schon im Vorhinein eine Meinung festigen, die das später Gelesene auch nicht verändert.

Der QS ist (für mich) kein Wunsch, kein Drang, kein Trieb, kein Begehren, kein Verlangen, keine Sehnsucht. Es ist Wissen. Tiefes inneres Wissen wie mein Körper zu sein hat.

LG
Andrea
Gil-Bleu
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Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Internetartikel: "Der Wunsch nach Behinderung"

Beitrag: # 11513Beitrag Gil-Bleu »

Hallo zusammen,

das mit dem Wunsch ist ja so eine Sache. Dadurch wird eben das falsche Bild in der Öffentlichkeit geprägt. Das steure ich auch noch eine Überschrift bei:
"BIID, Ungleichförmigkeit in der körperlichen Ausgeglichenheit!"

In einer Beschreibung gegenüber einem Unbetroffenen habe ich dies mal wieder mit dem Schnupfenvergleich erklärt.
Jeder kennt das. Man hat Schnupfen, oder besser gesagt eine richtige Erkältung. Da kommt es schon mal vor, dass einem ein Ohr "zufällt", man also auf einem Ohr plötzlich schlechter hört. Diese Asymmetrie versuchen wir auszugleichen. Gelingt es uns nicht sofort, so beschäftigt es uns solange, bis es endlich klappt. In Extremsituationen kann es sogar dazu führen, dass wir Konzentrationsschwierigkeiten bekommen und alltägliche Dinge für uns zur Last werden. Sobald der "Pfropfen" wieder gelöst ist, geht es uns wieder gut.
Für viele Menschen mit BIID ist es ähnlich. Die Asymmetrie, der Pfropfen, muss gelöst werden. Erst dann können wir uns wieder auf das alltägliche konzentrieren. Und genau wie beim Pfropfen hilft es nur, dass dieser auch ganz real entfernt wird.

Gil
Gil-Bleu
Mit einem Bein überlegt man sich den nächsten Schritt etwas genauer
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